Wieder regnet es. Gefühlt regnet es seit Wochen hier in Finnland. Auch für die nächsten Tage ist Regen angesagt. Es ist Advent. Wie schön es wäre, wenn all der Regen Schnee wäre - eine wundervolle Pracht! Wie gemütlich und weihnachtlich…. Stattdessen: grau, nass, trüb, der Boden aufgeweicht.
Und doch gehe ich raus - in den Regen. Ins nasskalte Wetter. Eingepackt und ausstaffiert mit Handschuhen, Schal, Gummistiefeln, Regenjacke, Regenhose, Regenhut. Die Luft ist feucht – und angenehm. Durch meine Nase sauge ich sie förmlich ein, tief atme ich ein und gehe los. Schritt für Schritt. Tapfer, bestimmt, hinaus in den Regen. Froh, meinen inneren Schweinehund überwunden zu haben. Froh über die gute Luft. Und über meine Regensachen. Durch die erste Pfütze laufe hindurch. Es platscht und spritzt. Ich lächle – breit, über das ganze Gesicht. Nun bin ich dem Regen schon nicht mehr so böse, dass er nicht weichen will.
Ich gehe weiter, wende meinen Blick eher nach unten, weil der Wind mir den Regen kalt ins Gesicht fegt. Ich gehe weiter, kämpfe mich durch das Wetter und suche nach der Schönheit – im Regen. Ich verlagere meinen Fokus von den Regenwolken, dem trüben Grau, dem Wind, der nassen Kälte auf das Nahe, das, was am Boden passiert. Direkt vor meinen Augen. Ich kehre ein wie in eine Höhle, werde zur Forscherin, zur Höhlenforscherin, die sich in der Regenhöhle befindet. Auf der Entdeckung nach Neuem, nach Schönem, nach Wundervollem...
Wenn in der Kunsttherapie ein Klient unzufrieden mit seinem Bild ist, dann lade ich ihn ein, die Perspektive zu wechseln. Nicht zu schauen, was nicht schön ist, was nicht gelungen ist, was nicht gefällt, sondern sich wie ein Entdecker auf den Weg zu machen und zu suchen: Wo ist es gut? Wo ist etwas schön in meinem Werk? Welcher Bildausschnitt, welche Farbe, welche Linie, Kontur? Welcher Farbverlauf?
Manchmal gebe ich dem Klienten eine Lupe in die Hand oder ein Passpartout, so dass sich dadurch seine Sicht verändert - sich fokussiert. Sie vom Großen ins Kleine geht. In die Details. Suchend, forschend, tastend, findend, staunend sich ganz anders seinem Werk begegnen kann.
So gehe auch ich in den Regen, in das trübe Wetter und wende meinen Blick ab von dem Wetter, das das Gesamtbild und meine Stimmung so beeinflusst. Ich richte meine Augen nach unten, auf das, was sich mir dort bietet. Ich schärfe meinen Blick für die Farben, die ich, als ich aus dem Fenster schaute und nur das trübe Grau wahrnahm, nicht sehen konnte. Ich staune und sehe mich um und staune! Staune und freue mich.
Es ist so eine ganz tiefe innere Freude, so eine, die alles um mich herum vergessen lässt: Den Regen, das verschwommene und mächtige Grau, die nasse Kälte, das alles ist weit weg… Ich bin in einer anderen Welt. Voller Farben. Farben, die ich nicht erahnt habe, im Winter, im Dauerregen. Farben, die durch den Regen erst richtig leuchten.
So wunderschön leuchten, dass sie in mich hineinleuchten und auch etwas in mir zum Leuchten bringen. Eine tiefe Begeisterung und Liebe für die Natur, die das Grau zum Leuchten bringt. Ich tauche ein in die Farben, in diese nasse, wunderbare Welt und lasse sie größer werden als alles andere um mich herum. Und verflogen ist das Trübsal über den Dauerregen, über das Grau, die Kälte, die Nässe, die Sehnsucht nach Schnee. Ich bin im Hier und Jetzt mit all diesem Wunderbaren um mich herum und mein Herz hüpft- dem Takt des Regens gleich- vor Glück und Dankbarkeit für das, was ist.
Vielleicht kennst du das auch? Wenn du den Blickwinkel änderst…
Vielleicht versuchst du es auch das nächste Mal, wenn alles grau in grau scheint, trüb, kalt… Vielleicht auch im Innen. Geh los, stell dich dieser trüben Suppe, diesem Grau.
Versuch nicht, es wegzuschieben, versuche nicht, es nicht haben zu wollen. Sondern geh hinein und schau dich um.
Was findest du Schönes, Liebenswertes, Beachtliches, Erstaunliches, wunderbar Wundervolles? Vielleicht ist es ganz klein. Nimm deine innere Lupe und fokussiere neu. Denn, wenn du dich auf dieses Kleine konzentrierst, dann bekommt es eine neue, magische Kraft! Dann kann es größer werden, sich in dir als Bild und als Gefühl ausbreiten!
Luonnontaika. 🌿
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