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  • AutorenbildAnna Hupe

Was Bäume mit Konsum zu tun haben und wie sie uns ein achtsameres Leben lehren können

Aktualisiert: 25. Feb. 2020


Vor zwei Wochen als der große Sturm war habe ich bei Facebook ein Bild von einem Baum gepostet, der bei uns im Wald steht. Er steht dort schief. Mindestens seit ich ihn entdeckt habe vor gut zwei Jahren, wahrscheinlich schon eine ganze Weile länger. Er steht dort, schief, zwischen all den geraden Bäumen und es scheint ihn nicht zu stören. Ich mag das. Ich bin auch manchmal schief zwischen all den geraden. Auch manchmal anders und es stört mich immer weniger.





Mich beeindruckt die Kraft, mit der er da steht. Sich dem Wind nicht mehr entgegenbiegt, sondern sich ihm einfach hingibt. Eigentlich ist er dadurch ziemlich windschnittig. Er steht dort im Frühling, wenn der Schnee schmilzt und die Sonne wieder die Erde erwärmt, er steht dort im Sommer, wenn die Sonne hier in Finnland kaum noch untergeht. Er steht dort im Herbst, wenn die Winde stärker werden, der Regen wieder deutlich zunimmt und den Boden aufweicht. Und er steht dort im Winter – so wie jetzt. Normalerweise ist es frostig kalt. Bis – 25 Grad kann es bei uns nachts haben. Doch dieser Winter ist mild. Dafür haben wir viele Stürme. Der nächste kündigt sich gerade an. Und da steht er und ich merke, dass ich mir Sorgen mache. Ich mag ihn. Ich wünsche mir, dass er dem Sturm standhalten kann. Dass seine Wurzeln, von denen nur noch die Hälfte im Boden sind die Kraft haben, ihn zu halten. Er ist mir so ans Herz gewachsen. Und ich wünsche ihm Mut, sich dem Sturm zu stellen, oder, wenn es nötig sein soll, den Mut, endlich loszulassen. Und zu fallen. Um anderen Tieren als Nahrung und Wohnraum zu dienen. Als Schutz. Bis er langsam zersetzt wird von Pilzen und immer weicher wird und schließlich wieder zu fruchtbarer Erde wird.


So die Situation vor einigen Tagen und mein Beitrag bei Facebook dazu, in dem ich ein Bild von dem Baum und mir gepostet habe. In der Nacht habe ich an ihn gedacht, als die Dachschindeln auf unserem Haus klapperten und es in allen Ecken und Winkeln ächzte und pfiff.


Am nächsten Morgen schon bekam ich Nachrichten mit Fragen: "Steht er noch? Was macht der Baum?" Ich war gerührt, wie viele mitgefiebert haben.


Ich bin gleich hin zum Baum, mein Herz klopfte. Und da stand er… Wie immer… Wie Frühling, Sommer, Herbst und Winter und hatte wieder einen Sturm überlebt. War vielleicht an ihm noch innerlich gewachsen. So kam er mir jedenfalls vor. Noch stolzer schief – zwischen all den geraden Bäumen.


Beschwingt durch dieses Erlebnis und ermutigt, wie kraftvoll die Natur doch ist, auch wenn sie angegriffen ist, ging ich nachmittags in meinen Lieblingswald.


Es ist ein wunderbar kraftvoller Platz für mich. Ein uriger, wunderschöner Wald, Hügelgräber birgt er und viele große Felsen, wunderbare Moose und viele verwunschene kleine Pfade. Als ich meine Runde drehe wundere ich mich schon über ein Auto, das sonst nicht da steht… Und noch eins… Und dann höre ich Maschinen. Und als ich um die Ecke komme verschlägt es mir fast den Atem: Mein geliebter Wald, mein Kraftplatz!!! Die Bäume!!! Nicht alle, aber viele rausgerissen, schon direkt von einer riesigen Maschine entrindet. Überall liegen nackte Baumstämme aufgestapelt herum, die Pfade sind von den Maschinen unkenntlich gemacht, das Moos zerstört, die Erde aufgewühlt und plattgewalzt. Die wichtige Bodenstruktur mit den vielen Möglichkeiten der Wasserspeicherung, aber auch Lebensort unglaublich vieler Pilze, die ein wichtiges Informationsnetz für den Wald bilden, zerstört!!!





Ich kann es kaum fassen. Fühle die Ironie in dieser Zerstörung! Wie habe ich gezittert und gebangt in der letzten Nacht – wie viele mit mir – um die deutschen Wälder im Orkan Sabine und um meinen schiefen Baum und hier? Hier werden nicht nur reihenweise Bäume grob mit ihren Wurzeln aus der Erde gerissen, sondern auch noch der wichtige Nährboden für nachwachsende Bäume und Lebewesen zerstört!!! Und das trotz inzwischen besseren Wissens!


Und mir wird so schmerzlich bewusst, dass nicht die Stürme unsere Natur zerstören, sondern wir Menschen es sind, die die schlimmste Zerstörung verursachen – mit unseren Konsumverhalten. Denn diese Bäume wandern wahrscheinlich direkt in die örtliche Papierfabrik nach Rauma. Andere in die Produktion von Holz für Möbel, Baumaterial, Feuerholz für unsere gemütlichen Kaminöfen und meine geliebte Holzofensauna…


Und es tut mir so leid, so weh und ich fühle mich schuldig und ohnmächtig und wütend und traurig und alles zugleich. Mein erster Impuls, die „Verantwortlichen“ zu suchen und sie zur Rede zu stellen: „Was macht ihr da! Wisst ihr nicht, was für ein kraftvoller Ort das hier ist? Wie wichtig die Bäume für den Fortbestand unserer Welt sind?“ Ihnen die ganze Schuld zu geben…


Was würde das bringen? Ich würde mich vielleicht in dem Moment besser fühlen. Wäre raus aus der Ohnmacht, hätte was getan, hätte einen Kanal gefunden für meine Wut und hätte auch einen Schuldigen und würde nach Hause gehen, meine Sauna anfeuern und mich wieder entspannen.


Doch wer ist hier eigentlich Schuld? Der, der das Geld verdient mit dem Papier? Die Waldarbeiter? Die Politik?


Und welche Rolle spielen du und ich dabei? Wir alle? Weil wir zum Beispiel Papier benutzen, täglich. Nicht immer sparsam übrigens. Wenn ich allein an den Papierverbrauch meiner Kinder denke… Und gleichzeitig ist mir wichtig, dass sie malen können soviel sie wollen.

Und doch nehme ich mir in dem Moment im Wald vor, meinen Kindern zu erzählen, aus was Papier hergestellt wird und will ihnen den Wert des Papiers deutlich machen. Mit ihnen auch zu dem Wald gehen. Den sie auch sehr mögen… Ich will ihnen nicht Angst machen, ich will sie nicht missionieren…


Ich wünsche mir, dass sie etwas verstehen! Dass alles aus irgendetwas gemacht ist. Dass alles seinen Wert hat! Ich will nicht, dass sie weniger malen, aber dass sie bewusster sind, wenn sie malen, wie wertvoll Papier ist – auch wenn es verhältnismäßig günstig ist.


Ich bin davon überzeugt, dass es sie nicht einschränken wird. Ich glaube, dass sie eher bewusster malen, dankbarer dafür, dass wir Papier haben. Und ihren Werken damit auch eine andere Wertigkeit geben.


In dem Moment im Wald in meinem Gefühlsgewirr wird mir wieder bewusst, wie viel ich unbewusst konsumiere. Einfach weil von allem (vermeintlich) reichlich da ist. Weil die Supermärkte damit voll sind. Weil unser Schuppen voll Brennholz ist... Ich merke, dass ich nicht nur ein passives Glied in der Kette bin, sondern dass ich mit an dem Weiterbestehen unserer Welt und unserer Natur mit drehen kann.

Ich bin dem Ganzen nicht ohnmächtig ausgeliefert! Natürlich bin ich nur ein winziges Glied und ich habe schon viele gehört, die sagen: Also ganz ehrlich, was kann ich schon machen. Die großen Umweltsünder sind doch… Und dann werden alle Möglichen aufgezählt, die Schuld an unserem Dilemma sind.


"Wenn viele kleine Leute an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können sie das Gesicht der Welt verändern" - afrikanisches Sprichwort

Ich kann entscheiden, ob ich im Jammern und Klagen, im Anklagen bleibe und damit letztlich einwillige, was mit unserer Welt passiert und mich damit auch zum Mittäter mache, indem ich meinen Konsum nicht verändere. Oder ob ich entscheide etwas zu tun und wenn es nur Kleinigkeiten sind! Aber aktiv zu sein… Und vielleicht jede Woche ein klein wenig mehr.


"Glück ist die Fähigkeit zum Verzicht." Seneca

Ist das so? Kann Verzicht glücklich machen?

Ein Beispiel: Letztes Jahr war unser Familienauto für viele Wochen in der Werkstatt und wir wohnen auf dem Land. Die Kinder müssen täglich zu Kindergarten / Schule in die 10 km entfernte Stadt gefahren werden. Mein Mann arbeitet etwa 30 km entfernt von hier. „Wir sind auf ein Auto angewiesen“ habe ich vorher mit Überzeugung gesagt. Doch nun das…

Unsere Familie hat die Challenge akzeptiert! Und wir haben knapp 5000 km Autofahrt gespart in den sechs Wochen, das entspricht etwa 800 kg CO2! Das macht stolz und glücklich! Und by the way auch fit.


Das haben wir gefeiert! Und unser Fahrverhalten hat sich seitdem sehr verändert.


Und nicht nur unser Fahrverhalten hat sich verändert. So vieles! Auch was Ernährung betrifft, Reisen, Geschenke, Kleidung. Wir sind mit Vielem achtsamer geworden, kaufen deutlich weniger, dafür ausgewählt und genießen bewusster. Erleben es als Luxus, weniger zu haben. Und sind damit glücklicher!


Wenn ich zum Beispiel ganz bewusst eine Schokorosine esse, die Schokolade langsam auf meiner Zunge zergehen lasse bis die weiche Rosine darunter zum Vorschein kommt und auch diesen Genuss auskoste, dann brauche ich nur noch wenige, vielleicht sogar nur eine Schokorosine und bin glücklich. Statt zwei Hände voll nebenbei beim Schreiben meines Blogartikels in mich rein zu schieben. Ohne sie wirklich wahrzunehmen, dafür aber meinen vollen Bauch.


Das Zauberwort heißt Achtsamkeit.


Wenn ich achtsam und bewusst genieße, dann bin ich in dem Moment auch viel tiefer mit mir selbst verbunden.


Probier es aus… Zum Beispiel beim Shoppen. Wenn du ein neues Teil anprobierst. Schau es dir nicht nur im Spiegel an, sondern schließ die Augen und spür den Stoff auf deiner Haut. Wie fühlt er sich an? Wie fühlst du dich in dem Teil? Ist dieses Gefühl es wert, dass du es kaufst? Macht es dich zu einem glücklicheren Menschen?

Was in deinem Leben gibt dir Mehrwert? Steigert dein Glück, deine Zufriedenheit? Was ist es wirklich? Sei ehrlich zu dir. Spür tief in dich rein. Und gönn es dir, ganz bewusst. Sei dankbar für dieses Glück. Für unsere Welt, die uns so viel schenkt.

Schreib mir gern deine Erfahrungen, Anmerkungen und Gedanken zu diesem Thema.


Deine Anna


luonnontaika 🌿


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